Vortragsreihe

Streitbilder. Bilder in wissenschaftlichen Kontroversen

Herbstsemester 2011 - 18.00 Uhr
eikones Forum

Die Kunstgeschichte hat sich Kontroversen bislang vor allem in Untersuchungen zu verschiedenen Formen von Ikonoklasmus angenommen, vereinzelt auch in rezeptionsgeschichtlichen Untersuchungen zu Kunstskandalen (vgl. etwa MacClanan 2005; Möseneder 1997). In der Wissenschaftsgeschichte stellt die Erforschung von Kontroversen ein etabliertes Forschungsprogramm dar, das Einblick in die Produktionsbedingungen der Wissensproduktion verspricht (Spoerhase 2007; Machamer 2000; Engelhardt & Caplan 1987). Die Untersuchungen konzentrieren sich vor allem auf die epistemischen Probleme von Experimentation, Beweisführung und Methodologie, die diskursiven Dimensionen der argumentativen Strategien sowie die sozialen Dynamiken zwischen den Akteuren; der – sonst in der Wissenschaftsgeschichte ebenfalls intensiv beforschte – Bereich der Bilder bleibt jedoch größtenteils vernachlässigt.

Dabei könnte die Aufmerksamkeit auf antagonistische Praktiken neues Licht auf die vielfältigen Weisen des Bildgebrauchs in den Wissenschaften werfen. Denn in Kontroversen werden scheinbar selbstverständliche Gewohnheiten, Normen und Werte problematisch, was nicht nur zu einer Explikation impliziter Annahmen führt, sondern auch überhaupt erst bestimmte Formen der Reflexion und Selbstverständigung entstehen lässt. Stehen nun Bilder im Zentrum der Auseinandersetzung, so sind die Akteure gezwungen, Verfahren der Legitimation wie auch der kritischen Analyse von Bilder zu entwickeln. Sowohl die Produktions- wie auch die Rezeptionsbedingungen von Bildern werden befragt, diskutiert und bewertet. Mehr noch: da die Kriterien dieser Befragung selbst umkämpft sind, ist man gezwungen, Kategorien zu entwickeln, um den Status und das Wesen von Bildlichkeit überhaupt zu bestimmen. In diesem Sinne könnte man behaupten, dass Akteure, die in Konflikten über die Wissensansprüche von Bildern verstrickt sind, nicht nur selbst Bildkritik betreiben, sondern auch – wenn auch vielleicht nur situativ – Methodologien der Bildkritik formuieren. In diesem Kontext wären Theorien der Bildlichkeit ein praktisches Wissen, dessen Beherrschung in antagonistischen Verhältnissen über Sieg und Niederlage entscheiden kann. Um ein Wort Karl Mannheims abzuwandeln: Bildkritik tritt hier als «vorgeschober Posten im Kampfe der Denkstile» auf (Mannheim 1982).

Entlang dieser Ausgangsthese möchte die Vortrags- und Workshopreihe anhand von Fallstudien einige exemplarische Momente eines solchen Einsatzes von Bildkritik erkunden. Konkrete Fragen, die dabei zum Tragen kämen, wären unter anderem: Was sind die Bedingungen dafür, dass der Status eines Bildes überhaupt problematisch wird? Bilder sind oft zunächst nur Waffen in den Auseinandersetzungen, visuelle Argumente im Kampf der unterschiedlichen Positionen; wann und auf welche Weise werden sie selbst zu Gegenständen von Kontroversen? Welche Verfahren der Legitimation und Kritik der Bilder werden dabei angewandt? Werden diese ad hoc entwickelt, oder nimmt man Anleihen aus anderen Bereichen oder Disziplinen (etwa der Kunstwissenschaft, der Psychologie etc.)? Werden originäre Kategorien von Bildlichkeit formuliert, und wenn ja, welche? Und schließlich: Was passiert mit den Bildern, wenn eine Kontroverse abgeschlossen ist? Fallen sie – als obsolet – dem Vergessen anheim, oder werden sie – als Embleme der siegreichen Position oder auch als Mahnmale für eine falsche und nun überwundene Meinung – zu kanonischen Ikonen?

Bild: Gilles Balmet, Untitled (Rorschach), 2007
Courtesy of the artist and Dominique Fiat, Paris



Konzept: Thomas Brandstetter, Johannes Bruder

Referierende: K. Maria Lane, Cornelius Borck, Claus Zittel, Nick Hopwood

Downloads: Streitbilder Poster, Streitbilder Programm

eikones NFS Bildkritik, Rheinsprung 11, CH - 4051 Basel

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